03. Dez. 2019
In den großen Werkhallen der Dachdecker*innen am BZB Standort Wesel gehen die Lehrlinge an Dachmodellen fachgerecht und gewissenhaft ihren Aufgaben nach. Zu den Lehrlingen gehören auch sechs weibliche Auszubildende – ein Rekord, auf den Dachdeckermeister und Ausbilder Gunter Siebert und seine Kollegen besonders stolz sind. Carolin ist eine der Auszubildenden im dritten Lehrjahr. „Wenn wir Frauen in den Werkhallen oder in der Berufsschule dabei sind, benehmen sich die Jungs besser“, lacht Carolin. Den positiven Einfluss auf das Arbeitsklima können die anderen Azubis und Meister nur bestätigen.
„Momentan fehlen an den Schulen die Berührungspunkte zu weniger bekannten Berufen“
Carolin wollte sich nach ihrem Abitur zunächst für ein duales Studium einschreiben und wurde über die Internetseite der Handwerkskammer Düsseldorf auf das triale Studium aufmerksam. Nach insgesamt 5 Jahren (3 Jahre Ausbildung +2 Jahre Meister) beenden die Absolvent*innen dieses z.B. mit einem Bachelor im Handwerksmanagement, einem Meister sowie dem Gesellenbrief. Nach einem halben Jahr merkte sie allerdings, dass das Studium nichts für sie sei. Das Pendeln empfand sie als besonders belastend. „Stattdessen habe ich mich entschlossen, meine Ausbildung klassisch fortzuführen“, sagt Carolin. Kritik äußert sie gegen das Bildungssystem: „Auf den Schulen wird nach dem Abitur als nächster Schritt nur für das Studium geworben, die Ausbildung nach dem Abitur wird eher negativ angesehen. Dabei kann man auch eine sehr gute Lehre machen. Momentan fehlen an den Schulen die Berührungspunkte zu weniger bekannten Berufen, nicht nur im Handwerk.“ Früher gab es an Realschulen Textil- und Werkunterricht, aber seitdem diese Fächer nicht mehr angeboten werden, gibt es für Schülerinnen und Schüler kaum Kontakt zu handwerklichen Aufgaben. Dabei gefällt Carolin vor allem der Umgang mit verschiedenen Materialien und die abwechslungsreiche Arbeit. „Jeden Tag mache ich etwas anderes und lerne neue Menschen kennen. Außerdem arbeite ich gerne an der frischen Luft.“ Sie selbst kannte die Arbeit als Dachdecker*in von klein auf aus dem Familienbetrieb. Dies trifft auf 5 der 6 weiblichen Auszubildenden zu.
Als Dachdeckerin durchstarten
„Generell sollte es mehr finanzielle Anreize zur Ausbildung geben. Die Auszubildenden starten ihr eigenes Leben und haben demensprechend viele Ausgaben. Studierende bekommen überall – im Kino, bei Spotify, Amazon und Netflix – Rabatte, und die Auszubildenden müssen den vollen Preis zahlen.“ Die Ausbildungsvergütung für Dachdecker*innen entlohnt die Lehrlinge mit 730 € im ersten Lehrjahr, 880 € im zweiten Lehrjahr und 1.130 € im dritten Lehrjahr. Zusätzlich wurde in Nordrhein-Westfalen im August 2019 das Azubiticket eingeführt, das die Mobilität für das ganze Bundesland verbessert. Ausbildungsbetriebe können einen Teil des Betrages für ihren Lehrling übernehmen und so interessanter bei der Nachwuchsgewinnung werden. Das Aufstiegs-Bafög wird für Gesellen wichtig, denn es fördert die Vorbereitung auf den Meister-Abschluss.
Nach ihrer Ausbildung möchte Carolin für ein Jahr in ihrem Beruf arbeiten und danach den Meister machen. Am liebsten würde sie in der Zwischenzeit auch nach Südamerika oder Australien reisen. Die Insel „La Reunión“, eine Überseeregion Frankreichs im indischen Ozean, hatte sie bereits im Rahmen einer „Lehrlings-Mobilität“ besucht. So verbindet sie ihren Spaß am Reisen mit ihrem beruflichen Werdegang.