25. Jul. 2019

Zukunft Baubranche: Interview mit Dr. Roland Falk - Teil I

Fachkräftemangel, Nachwuchsgewinnung oder Wissenslücken bei der Ausführung eines Berufes aufgrund steigender Anforderungen: Die Baubranche muss sich mit zunehmenden Herausforderungen auseinandersetzen. Das europäische Projekt „All.Con – Skills Blueprint for the Construction Industry“ hat das Ziel, Lücken zwischen der Ausbildung und den nachgefragten Qualifikationen in den Betrieben zu analysieren und Initiativen zur Behebung dieser zu entwickeln.

In diesem Rahmen führten die BZB ein Experten-Interview (Auszug) mit Dr. Roland Falk, Leiter Forschung und Entwicklung am Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade, über den Einfluss von sozialen Faktoren auf das Bauwesen und die Ausbildung in Deutschland.

BZB: Wie kann der Fachkräftemangel bewältigt werden? Welche Maßnahmen sollten eingesetzt werden?

Dr. Roland Falk: Die Arbeitgeber in Deutschland sollten sich nicht auf die Bewältigung des Fachkräftemangels durch Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte verlassen – auch wenn diese zusätzliches Potential bietet. Die Attraktivität der Baubranche für Arbeitskräfte in Deutschland muss steigen. Dabei sind diese Aspekte relevant:

  • Die Arbeit auf dem Bau ist nicht mehr so körperlich herausfordernd, wie sie in der Vergangenheit war. Insbesondere für das Heben und Bewegen schwerer Gegenstände gibt es Maschinen und Werkzeuge.
  • Die Baubranche muss für die jungen Menschen attraktiver werden: Das Bauhandwerk bietet viele interessante Themen wie Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Gestaltung oder Digitalisierung der Arbeitsprozesse.

BZB: Wie kann die Attraktivität der Baubranche bei weiblichen Fachkräften gesteigert werden?

Dr. Roland Falk: Der Fokus auf körperlicher Arbeit ist nicht mehr im Vordergrund – Dies ist ein wichtiger Punkt, wenn es darum geht, Bauberufe unter Frauen und Mädchen zu bewerben. Denn dies war auch ein Hauptargument für Betriebe, keine Frauen zu beschäftigen oder Mädchen auszubilden.
Zusätzlich werden in Zukunft andere Themen stärker in den Vordergrund rücken: z.B. Baurobotik, Automatisierung und Digitalisierung. Diese Felder könnten für Frauen besonders interessant sein, da es hier mehr um kognitive und weniger um physische Anforderungen geht.
Zudem könnten die Themen der Energieeffizienz – ökologische Themenfelder im weitesten Sinne – sowie Nachhaltigkeit in Bezug auf neue Baumaterialien ein Vorteil bei der Ansprache weiblicher Arbeitskräfte sein. Auch ist das Thema Gestaltung, das Entwickeln von kreativen Lösungen, was von Kundenseite immer mehr gewünscht wird, ist sehr spannend.

BZB: Wie können junge Schüler*innen für die Baubranche begeistert werden?

Dr. Roland Falk: Heutzutage wollen viele junge Menschen in Deutschland einen Beruf, in dem sie Verantwortung für ihre Arbeit übernehmen können. Die Baubranche bietet diese Möglichkeit. Viele möchten nicht nur ausführend arbeiten, sondern umfangreichere Aufgaben übernehmen, die nicht nur auf einen sehr engen Aufgabenbereich beschränkt sind.
Dabei hat jeder seine eigene Lerngeschwindigkeit, auch bedingt durch unterschiedliche Schulabschlüsse und Vorwissen. Davon ist es oft abhängig, wie schnell und gut jemand in der Ausbildung vorankommt. Aber ob ein Lehrling „schneller“ oder „langsamer“ lernt, zeigt NICHT den Wert des Menschen oder die Qualität seiner Arbeit – die Baubranche braucht beides für alle Arbeitsebenen und Aufgaben.

BZB: Wie sollte sich die Ausrichtung in der Ausbildung entwickeln? Was sollten Gesetzgeber und Betriebe tun, um den Fokus vom Ausbildungsweg (Inhalte) mehr auf die Ausbildungsergebnisse und individuelle Professionalisierung zu richten?

Dr. Roland Falk: Bevor man Überlegungen zur Entwicklung macht, sollte betont werden, dass Basiswissen und -fertigkeiten unbedingt erforderlich sind, um eine qualifizierte Fachkraft in der Baubranche zu sein. Nur wenn diese Grundvoraussetzung erfüllt ist, kann über eine Weiterentwicklung des Systems nachgedacht werden. Aus dem deutschen Blickwinkel heraus ist das duale Ausbildungssystem in seinen Grundzügen gut; daher steht eine radikale bzw. komplette Veränderung des Systems nicht zur Debatte. Man kann Anpassungen am Konzept des arbeitsplatzbasierten Lernens durchführen, aber auch die Digitalisierung wird nicht die Grundlagen des Systems verändern.

BZB: Welche Rollen haben Bildungszentren und Betriebe bei der Minimierung von Wissenslücken, um eine qualitativ hochwertige Ausbildung in der Baubranche zu gewährleisten?

Dr. Roland Falk: Bildungszentren und Betriebe sind in ständigem Austausch über die Fähig- und Fertigkeiten, die den Auszubildenden abverlangt werden. Der Lehrplan zeigt das Spektrum des Wissens und der Fähigkeiten auf, die für die Ausübung des Berufs erforderlich sind. Nichtsdestotrotz lässt der Lehrplan Interpretationsspielraum, wenn es um regionale Faktoren der Bauweise und/oder Baumaterialien geht. Die Ausbilder der Bildungszentren haben hier die Möglichkeit, im Gespräch mit den Unternehmen diese lokalen und regionalen Unterschiede kennenzulernen und in ihren Unterricht zu integrieren.

Der zweite Teil des Interviews folgt in Kürze.

Fotos: © Africa Studio/shutterstock; Dr. Roland Falk/privat

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